Rückblick auf Südamerika

Noch mal Tango

In allen Städten, in denen wir mehr als einen Tag verbrachten, haben wir auch immer versucht, an Tangokursen und Milongas (Tango-Tanzabende) teilzunehmen. Das gab uns immer ein bisschen das Gefühl, nicht nur Touristen zu sein. Einige Dinge sind dabei an allen Orten gleich. Aber meist hatte jede Tanzschule auch ihre Besonderheiten.

In Cusco kamen wir zu spät zum Kurs. Alle Teilnehmer saßen aber noch auf den Boden und unterhielten sich. Als es dann losgehen sollte, wurde durchgezählt und festgestellt, dass ein Mann mehr da war als Frauen. Daraufhin öffnete eine Teilnehmerin das Fenster im ersten Stock und rief auf die belebte Straße: „Mädels, eine brauchen wir noch.“ Wir hielten das für einen Witz, aber zwei Minuten später standen sogar zwei Frauen in der Tür.

Ebenfalls in Cusco wollten wir zu einer Milonga, standen aber vor einer verschlossenen Toreinfahrt. Zum Glück kamen noch andere Gäste und nach ein- zwei Telefonaten wurde uns geöffnet. Die Organisatoren hatten extra einen Sänger und Bandoneisten aus Argentinien kommen lassen. Der spielte dann in einer Konditorei vor vielleicht zwanzig Tänzern und Tänzerinnen.

Alexis Lovotti mit seinen Fans nach seinem Auftritt in einer Konditorei.
Gonzo führt Gimmi in die „Ocho“.

In Cordoba sind wir zur Milonga wieder mal viel zu früh gekommen. Gegen Mitternacht kamen dann die Experten. Unter anderem ein großer Mann mit Stiernacken und so groben Zügen, dass er problemlos bei Machete hätte mitspielen können. Er schnappte sich die erstbeste Partnerin und legte einen Tango hin, der vom Feinsten war. Danach lehnte er sich wieder an die Wand, wie ein Holzfäller im falschen Laden. Gimmi hatte Glück und durfte mit dem unstrittig attraktivsten Mann im ganzen Saal einige Tangos tanzen. Sie verglich ihn später mit dem jungen Che Guevara. Falls hier Unklarheiten auftauchen, es handelte sich nicht um mich.

Salta macht es Tangotänzern nicht ganz leicht. Bei der Glorietta-Milonga haben wir stundenlang versucht herauszubekommen, wo diese stattfindet, bis wir feststellen, dass die Glorietta ein Pavillon auf dem Hauptplatz und auch der Veranstaltungsort ist. Als wir ankamen schliefen in diesem Pavilion ein Mann und zwei dicke Hunde. Von einer Milonga keine Spur. Beim nächsten Versuch das gleiche Bild. Zunächst wurde uns eine falsche Adresse genannt, als wir dann dennoch am richtigen Ort ankamen: nichts.

Auf dem Rückweg hörte Gimmi aber Tango aus einer unscheinbaren Spelunke. Tatsächlich war im zweiten Stock ein Tanzsaal, der den zweifelhaften Charme des Cafe Keese in den Siebzigern archiviert hatte. Von der Ausstattung, den Frisuren, den Kellnern bis zu den Klamotten, alles wie aus einer anderen Welt. Hier wird die Anzughose noch in den Cowboystiefeln getragen. Muss man mögen.

Ein Balztanz mit Taschentüchern, der uns in Argentinien schon öfter begegnet war.

Kaum hatten wir die Tanzschuhe angezogen, wechselte die Musik von Tango auf eine merkwürdige Mischung lateinamerikanischer Rhythmen zu denen jedes Paar etwas völlig anderes tanzte.

Da der Tango an diesem Abend nicht mehr gespielt wurde, haben wir halt zu der befremdlichen Mischung mit getanzt. Ein merkwürdiges Gefühl. Wir waren die größten, die jüngsten und eindeutig die einzigen Ausländer seit Dekaden. Entsprechend wurden wir begafft.

Trotzdem wir bei fast keinem Paar einen uns bekannten Tanz erkennen konnten, tanzten doch alle irgendwie gut. Selbst Leute, die so alt waren, dass wir nicht sicher waren, ob sie es ohne Sauerstoffzelt bis zur Tanzfläche schaffen. Auch der Mann mit dem Cowboystiefeln und einer deutlich jüngeren und offenkundig gelangweilten Partnerin sah gut aus.

Gegen Mitternacht waren wir immer noch etwas enttäuscht, dass wir kein Tango tanzen konnten, hatten aber den besten Tanzabend seit langem gehabt.

Nur Bares ist Wahres

Die Beschaffung von Bargeld gestaltete sich vor allem in Chile und Argentinien als schwierig. Die drei Tage in Chile sind wir komplett ohne Bargeld ausgekommen, ohne dass wir wussten, warum wir nichts bekommen. In Argentinien war das nicht so leicht. Hier haben wir immerhin mehrere Wochen verbracht. Angesichts der aktuell schlechten Wirtschaftslage und der horrenden Inflation wurde das Abheben an Geldautomaten deutlich eingeschränkt. Das obere Limit lag meist zwischen 4.000 und 8.000 Peso. Das waren seinerzeit maximal 140 €. Inzwischen ist es erheblich weniger. Ein Problem war, dass kein Geldautomat die exakte Höhe des Limits verraten wollte. Das bedeutet, man fängt mit 8.000 Peso an und geht den gesamten Abhebevorgang durch, um am Ende zu erfahren, dass die Forderung zu hoch war. Das probiert man, mit sinkenden Beträgen, bis man endlich Geld bekommt. 10 Minuten am Geldautomat zu stehen, ist daher nicht ungewöhnlich. Ein weiteres Geheimnis, das die Geldautomaten so lange es möglich ist für sich behalten, ist die Information, ob überhaupt Geld vorhanden ist. Es ist also möglich, dass man sich mühsam an das aktuelle Limit heran gearbeitet hat, um dann zu erfahren, dass es überhaupt kein Geld gibt. Das normale Bild in einer argentinischen Stadt am Morgen sind daher lange Schlangen vor den Geldautomaten, da diese offenbar nachts gefüllt werden.

Trinkgeld

Eigentlich informieren wir uns immer, wie die lokalen Bräuche zum Trinkgeld sind. Das wird einem nicht immer einfach gemacht. In einigen Restaurants findet man Service auf der Rechnung, in anderen Cubierto, also Besteck. Im letzten Fall wird manchmal zusätzlich Trinkgeld erwartet, worauf wir mit ’no incluya servicio‘ ungefragt aufmerksam gemacht wurden. Wir haben uns trotzdem entschieden entweder Service oder Besteck zu bezahlen, aber nicht beides. In Chile bekommt man Rechnungen mit zwei Summen. Den reinen Preis und einen inklusive eines empfohlenen Trinkgeld von 10%. Man muss also nicht lange rechnen. Man sagt nur, ob man mit oder ohne Trinkgeld bezahlen möchte. In Panama bekommt man sogar vier Preise auf der Rechnung, die unterschiedliche Trinkgelder berücksichtigen. Eigentlich praktisch.

Inka-Tradition

Zur Geschichte der Inka haben wir von einigen Führern in verschiedenen Städten jede Menge Informationen erhalten. Das Problem ist, dass die Peruaner ihre Geschichte viel detaillierter berichten, als die Informationslage das her gibt. Im Ergebnis erzählt jeder das, was er will und was er gerne hätte. Die Informationen widersprechen sich gegenseitig und den historischen Kenntnissen. Nach jeder Tour, ist es sinnvoll, zu googeln, was wirklich stimmt. So waren Mauern mal von den Inkas, mal von einer unbekannten Pre-Inka-Kultur und mal von den Spaniern. Machu Picchu wurde mal von den Inka gebaut, mal nur vorgefunden.

Ein in Cusco gefundenes Menschenopfer. Ein Kind mit einem sogenannten Cone-Head.

Das schönste Beispiel waren die sogenannten Cone-Head-People. Dabei handelt es sich um Skelette, die gefunden wurden und die längliche, für moderne Menschen ungewöhnliche Schädel hatten. Ein Führer in Cusco legte nahe, es handele sich um Außerirdische, welche die Inka beeinflusst hätten. Ein anderer mutmaßte, es handele sich um super-intelligente Pre-Inka-Menschen, welche die filigranen Mauern gebaut hätten. Keiner war bereit, die wissenschaftlich naheliegende Erklärung zu berichten. Nämlich, dass es sich um ein, bei vielen indigenen Völkern bekanntes, Schönheitsideal handelt. Die Schädeldeformation wurde bewusst herbeigeführt, indem kleinen Kindern der Kopf mit Bandagen in die gewünschte Form gebracht wurde. Wir haben selten, von offiziellen Reiseführern und Tourguides so viel Unfug gehört.

Coole Mauern haben sie gebaut. Aber darüber, wer das wann war, hat jeder Guide seine eigene Meinung.

Reisen im Bus

Die Möglichkeiten von Zugreisen sind in fast allen südamerikanischen Ländern sehr eingeschränkt. Daher waren wir oft auf den Bus angewiesen. Das kann sehr komfortabel sein. Wir hatten einige sehr gute Nachtbusse. Das kann aber auch schwierig sein. Gewöhnungsbedürftig war die ewig präsente Musik, die selbst in Nachtbussen läuft. Immer lateinamerikanisch, immer der gleiche Rhythmus und immer in unterschiedlichen Maße zu laut. In einem Bus lief dazu noch die Tonspur eines Actionfilms. Die Wiedergabe des Bildes funktionierte zwar nicht, abschalten war aber keine Option. Der Bus von Argentinien nach Paraguay fuhr einfach an den Grenzposten vorbei, obwohl sich mehrere Touristen im Bus befanden, die an der Grenze den Pass zeigen müssen. So mussten wir bei der Ausreise eine Strafe zahlen, weil uns der Einreisestempel fehlte. Wir waren, ohne dass wir viel dagegen tun konnten, illegal eingereist.

Schöne Busse in Panama

Müßiggang

Ebenso wie schon in Asien, ist es auch in Südamerika akzeptiert, wenn man nach den Verzehr, selbst bei kleinen Bestellungen, noch stundenlang in Café oder Restaurant sitzt. Niemand bringt ungefragt die Rechnung oder fragt in immer kürzeren Abständen, ob man noch etwas bestellen möchte. Das ist sehr entspannend. Wir werden uns dran gewöhnen müssen, dass das in Deutschland nicht so gern gesehen ist.

Flugpreise

Angesichts der Entfernungen und den kaum vorhandenen Bahnstrecken, mussten wir auch einige Male fliegen. Die Preispolitik hat uns hin und wieder verblüfft. Von Montevideo über Lima nach Arrequipa zu fliegen war beispielsweise billiger, als wenn man nur den ersten Flug nimmt, also in Lima bleibt. Dabei handelte es sich um den selben Flug. Von Chile haben wir einen Flug nach Cordoba in Argentinien gebucht. Es ist offenbar billiger, wenn man auch wieder zurück fliegt. Als ich also das Flugticket bekam, hatte der Anbieter einfach den Rückflug mitgebucht. Der war zwei Wochen später mit zwei Zwischenstopps. Ich hatte also einen Flug gekauft und vier bekommen. Jetzt sind wir wieder in Berlin, verarbeiten die Eindrücke und genießen die Vorteile der Heimat: Familie und Freunde, gutes Brot, das eigene Bett…

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